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Meditationen nach der Tradition des Berges Athos II.


Für Personen, die mehr wissen wollen, als in den Zeitungen steht
Im Mittelpunkt der hesychastischen Praxis steht das „geistige Gebet“ (griechisch νοερὰ προσευχή noerá proseuchḗ), das meist kurz    Jesus-gebet oder Herzensgebet genannt wird. Im Gegensatz zum gemein-samen liturgischen Gebet ist das hesychastische individuell, der Betende ist stets allein.

Das in verschiedenen Versionen verbreitete Jesusgebet enthält zwar eine Bitte, ist aber, wie aus hesychas-tischer Sicht betont wird, nicht als Bittgebet aufzufassen. Es dient nicht dem Zweck, Wünsche des Betenden vorzutragen oder Gott etwas mitzuteilen. Vielmehr geht es in erster Linie um Anbetung, wobei sich der Betende für etwas öffnen will, das von Gott kommt.

Zwar ist die hesychia ein Zustand der Ruhe, doch soll diese nicht mit Untätigkeit verwechselt werden; das hesychastische Beten wird tradi-tionell – besonders in Russland – als „Arbeit“ aufgefasst und bezeichnet.

Wegen des Erfordernisses einer anhaltenden Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum stellt die Kontemplation an die Konzen-trationsfähigkeit des Praktizieren-den erhebliche Anforderungen. Die hesychastische Literatur befasst sich mit dieser Problematik und gibt dazu Ratschläge. Schon im frühen byzantinischen Hesychasmus des 12./13. Jahrhunderts wurde empfohlen, ruhig zu atmen. Die ersten Autoren, die dazu nähere Angaben machten, waren Pseudo-Symeon und Nikephoros der Hesychast. Sie empfahlen eine Verlangsamung des Atems als Vorbereitung zur eigentlichen Kontemplation. Nikephoros schrieb, man solle sich beim Einatmen vorstellen, dass der Atem abwärts ströme, bis er das Herz erreiche.

Damit könne man bewirken, dass auch der Intellekt (nous) ins Herz hinabsteige. Dann stelle sich eine Freude ein, wie bei einer Heimkehr nach langer Abwesenheit. Wenn der Intellekt seinen Platz im Herzen gefunden habe, könne man mit dem Jesusgebet beginnen. Anfangs zeige der Intellekt noch die Neigung, schnell wieder heraus zu kommen und umher zu wandern, doch später gewöhne er sich an seinen neuen Wohnsitz. Mit dem biblischen Spruch „Das Reich Gottes ist inwendig in euch“ sei diese Heim-stätte im Herzen gemeint. Nach Pseudo-Symeons Darstellung nimmt der Intellekt, wenn er sich im Herzen niedergelassen hat, sich selbst als gänzlich lichtvoll wahr. Von da an kann er jeden störenden Gedanken, der auftaucht, vertreiben und vernichten. Bevor der Gedanke eine Form annehmen kann, wird er beseitigt. Auch Gregorios Sinaites lehrte das Herabführen des Intellekts vom Hirn ins Herz mit dem Ziel, ihn dort einzuschließen. Diesen Vorgang solle man durch Anhalten des Atems vor dem Ausatmen unterstützen. Dabei gehe es aber im Grunde nicht um den physischen Atem, sondern um den „Atem des Intellekts“.

Wenn die Wirkkraft im Herzen aktiv sei, stelle sich dort eine Erwärmung ein; diese sei ein unzweifelhaftes Merkmal für die Wirksamkeit des Gebets. Ferner schrieb Gregorios Sinaites, ein Hesychast solle immer zu wenig essen und niemals zu viel, denn wenn der Leib schwer sei, verfinstere sich der Geist.

Bei den frühen Hesychasten war die Atemregulierung nur eine Vorübung vor dem Beten. Erst um 1400, im Handbuch von Ignatios und Kallistos Xanthopoulos, wurde geraten, die Worte des Gebets mit dem Ein- und Ausatmen zu koordi-nieren. In der modernen Praxis wird gewöhnlich der erste Teil der Gottesanrufung mit dem Einatmen, der zweite mit dem Ausatmen verbunden. Die hesychastische Kontemplation wird stets in sitz-ender Haltung mit geneigtem Kopf ausgeführt, im Gegensatz zum normalen Beten, bei dem man nach orthodoxer Tradition steht. Pseudo-Symeon gibt an, dass der Bart des Mönchs die Brust berühren soll.

Zu den überlieferten Praktiken gehört auch die Nabelschau, die Konzentration auf den Bauchnabel, die schon Pseudo-Symeon im 12./13. Jahrhundert empfahl. Sie war und ist aber kein notwendiger Bestand-teil der hesychastischen Praxis und wird häufiger von Kritikern, als von den Hesychasten selbst thematisiert.

Als geeigneten Ort für die Kontemplation bezeichneten Ignatios und Kallistos Xanthopoulos einen ruhigen, dunklen Winkel. Der Blick der Augen auf das Sichtbare führe dazu, dass das Denken zerstreut und zerteilt, geplagt und verwickelt werde. Um der Ablenk-ung vorzubeugen, solle man sich in einer ruhigen Zelle aufhalten. Dann kehre der Geist zu sich selbst zurück.

Die Anweisungen in den „Auf-richtigen Erzählungen eines russischen Pilgers“, deren Verfasser an die Philokalie anknüpft, folgen den schon im Mittelalter ausgeformten Leitlinien. Der Hesychast soll in sitzender Haltung, mit geneigtem Kopf und geschlossenen Augen das Jesusgebet unablässig wiederholen. Dabei bemüht er sich, fremde Gedanken zu vertreiben. Er führt seinen Geist (sein Denken) „aus dem Kopf ins Herz“. Das Gebet spricht er leise oder auch nur im Geist. Er richtet seine Aufmerksamkeit auf das Herz, das als Sitz der Seele gilt, und achtet dabei auch auf seinen Atem, in dessen Rhythmus er betet.

Betont wird in der hesychastischen Literatur und besonders bei den Athosmönchen, dass äußerliche Aspekte wie Haltung und Atemtechnik nur Mittel zum Zweck der Beruhigung seien. Die Atem-übung sei zwar hilfreich und sehr empfehlenswert, doch solle man sie nicht als das Wesentliche betrachten. Nach Palamas’ Darstellung sind die physischen Regeln hauptsächlich für Anfänger nützlich. Auch die ange-strebte Ruhe ist für die Hesychasten kein Selbstzweck, sondern nur eine Voraussetzung für die Erreichung des spirituellen Ziels. Im 19. Jahrhundert erklärte Feofan Goworow, einer der einfluss-reichsten russischen Hesychasten, alle Äußerlichkeiten für unwesent-lich; nur auf das innere, geistliche Gebet komme es an, „das ganz in sich selbst steht, ohne irgendeine äußere Form oder körperliche Haltung“.

Das innere Gebet bestehe darin, dass der Intellekt ins Herz hinabgeführt werde. Der Intellekt sei nicht von der Aufmerksamkeit zu trennen; daher solle man sich mit der Aufmerksamkeit im Herzen aufhalten und dort fest verankert bleiben; dann sei der Intellekt im Herzen. Das physische Herz sei nur „ein Muskel aus Fleisch“ und das Instrument der Seele, so wie das Hirn das Instrument der Intelligenz sei. Wenn die Liebe noch nicht erwacht sei, solle man auf die Gegenwart Gottes im Herzen vertrauen und nicht nach dem „Wie“ seiner Anwesenheit fragen. Das kontemplative Beten sei ein wortloses Stehen – und schließlich dauerhaftes Wandeln – in der Gegenwart Gottes. Feofan empfahl zwar das Jesusgebet, hielt es aber nur für ein Hilfsmittel, auf das man auch verzichten könne. In den Gebetsworten und der Verrichtung des Gebets sei nichts, das in sich selbst Frucht bringen könne. Alle Früchte der Kontemplation könne man auch ohne dieses Gebet und sogar ohne jedes mündliche Gebet erlangen, wenn man nur ganz schlicht Intellekt und Herz auf Gott richte.

Die hesychastischen Autoren schätzen und empfehlen das Mönchsleben und insbesondere das weltabgewandte Einsiedlerleben, Schweigsamkeit ist ihnen wichtig. Im modernen Hesychasmus wird aber eine strikt mönchische Lebens-führung nicht als notwendige Voraussetzung für die Erlangung der hesychia genannten Seelenruhe betrachtet. Als entscheidend gilt die innere Distanz zu den äußeren Verhältnissen, die der Hesychast erlangen und stets bewahren soll. Schon die Wortführer des spätmittel-alterliche Hesychasmus, Gregorios Sinaites und Gregorios Palamas, waren der Ansicht, hesychastische Spiritualität sei nicht nur im Rahmen eines äußerlich abgeschiedenen Lebens praktizier-bar. Inwieweit sie auch für Laien geeignet ist, darüber gingen unter den mittelalterlichen Hesychasten die Meinungen auseinander. Symeon der Neue Theologe meinte, es bestehe hinsichtlich der Möglichkeit, zur Gottesschau zu gelangen, zwischen Mönchen und anderen Christen kein Unterschied.

Erlernt wird das hesychastische Beten unter der Anleitung eines erfahrenen Praktizierenden. Schon im Mittelalter gab es aber auch autodidaktisch Lernende, die sich nur an die Anweisungen in der Literatur hielten, da ihnen kein Lehrer zur Verfügung stand.

Mag. Florian Siebenfuß
Bevor sie jemanden zur wahren Erleuchtung führten, war ihre Rolle zunächst einmal, die menschliche Natur schnell zu heilen und sie vollständig zu harmoni-sieren, so dass sie Gottes erhebende Gnade empfangen konnte, die nicht der Natur entgegengesetzt war, sondern sie wieder herstellte und erfüllte.
 
Der Berg, die Mohnblume, der Ozean und der Vogel hatten den jungen Mann gelehrt, wieder bewusst zu werden, die unterschied-lichen Stufen des Lebens wieder zu erlangen, die das menschliche Wesen einst kannte, oder mit anderen Worten die unterschied-lichen Königreiche, die den Makrokosmos erschaffen haben: die Welt der Mineralien, der Pflanzen und der Tiere. Der Mensch hat – wie jeder, der sorgfältig um sich herum und in sich selbst blickt erkennen kann – den Kontakt (die Resonanz) mit allem verloren, was gut und göttlich im Makrokosmos ist: dem Fels, den Pflanzen, den Tieren. Wenn dieser schlechte Zustand erzeugt Beschwerden, Krankheiten, Unsicherheit, Verlust der Liebe, Unglück und Ängstlichkeit.



Er wurde aufgrund dieser großen Sünde zu einem Fremden in seinem Universum. Tiefgründige Medita-tion bedeutet zunächst, das Univer-sum auf spontane und ehrliche Art und Weise zu lobpreisen, wie St. Parent sagte: „Alle Dinge und Wesen haben vor uns gelernt zu beten“. Der Mensch, als ein von Gott privile-giertes Wesen, ist die einzige Stelle in diesem Universum, in dem das Gebet real und vollständig seiner selbst bewusst wird.

Das ist der Grund, warum der Mensch hier ist, um den Dingen und Wesen bewusst einen Namen zu geben, den andere Kreaturen nur schnattern… Zusammen mit Abraham betreten wir eine voll-kommen neue und viel höhere Ebene des Bewusstseins, die Glaube oder bedingungslose Einwilligung sowohl der Intelligenz als auch des Herzens gegenüber dem existier-enden „Du“ genannt wird, der sich denjenigen geheimnisvoll abzeich-net, die fähig sind, ihn intuitiv überall in der Vielfalt zu spüren.
Dies ist kurz gesagt Abrahams Erfahrung und Meditation. So verstehen wir, dass es immer etwas Größeres und Großartigeres hinter den Sternen gibt, eine geheimnis-volle und überwältigende Anwesen-heit, die nur sehr schwer definiert werden kann, die niemand genau benennen kann, aber die in sich selbst alle Namen… alle Formen… alle Kräfte… alle Aspekte… alle Energie… enthält; und darüber hinaus etwas Geheimes und Unberührbares.
Im großen Mysterium (Gott) nehmen wir an, dass etwas jenseits des Universums existiert, das aber nicht außerhalb von ihm wahrge-nommen werden kann. Der Unter-schied zwischen Gott und der Natur ist der Unterschied zwischen dem Blau des Himmels und dem Blau eines Blickes. Abraham suchte nicht nach der Farbe, sondern nach dem Blick…
Nachdem er die aufrechte Haltung, die Verwurzelung, die positive Orientierung hin zum Licht Gottes, das stille Atmen des Ozeans und das geheime innere Lied gelernt hatte, wurde der junge Mann eingeladen, nun vollständig und wahrhaftig sein Herz zu erwecken. „Nun lerne, dass Du eines von Gottes Geschöpfen bist, begreife, dass dein Herz wahrlich durch die Tatsache charakterisiert ist, dass es alles personalisiert: alle Dinge, alle Wesen, sogar das Absolute, die Quelle (der letzte Ursprung) von allem was lebt und atmet. Begreife, dass alles Existierende Ihn ruft: „Mein Gott, mein Schöpfer“ und sie lassen sich selbst von Seiner Präsenz durchdringen. Zu meditieren wie Abraham bedeutet tatsächlich, immer den Kontakt mit der Einzigartigen Anwesenheit (Gott) jenseits der unterschiedlichsten Erscheinungen beizubehalten. Diese tiefgründige Form der Meditation bezieht alle konkreten Details des täglichen Lebens mit ein. Erinnere dich an die Episode mit der Eiche von Mamre.
Abraham saß zum heißesten Zeitpunkt des Tages am Eingang eines Zeltes. Er hatte gerade Besuch von drei Fremden erhalten; später würde sich herausstellen, dass sie Boten Gottes waren. Zu meditieren wie Abraham bedeutet, Gastfreund-schaft voller Hingabe und Demut zu üben, indem man den Durstigen ein Glas Wasser anbietet. Dies wird dich nicht in deiner Ruhe stören.  Im Gegenteil, es wird dich näher an die Quelle (die unendliche Quelle) bringen. Begrenze Dich nicht selbst, indem du nur Gottes tiefgründigen Frieden und sein Licht in dir erwecken willst, sondern fülle dein Herz mit Liebe gegenüber allen Wesen der Erde.
Dies sagend las Vater Seraphim dem jungen Mann eine lange Passage aus der „Genesis“ vor, die Abrahams Einsatz vor Gott beschrieb. Vor Gott, Dem Einen, der ist, war und immer sein wird, sagte er: „Möchtest du wirklich die Sünder zusammen mit den Aufrichtigen unterdrücken? Wenn es nur 50 gerechte und gute Menschen in einer Stadt gibt, wirst Du sie auch zusammen mit der gesamten Stadt zerstören? Oder wirst Du der gesamten Stadt um dieser 50 Willen vergeben?“
Nach und nach musste Abraham die Anzahl der aufrichtigen Personen reduzieren, so dass Sodom nicht zerstört werden würde. „Oh, Gott, sei nicht verärgert. Vielleicht werden wir zumindest 10 aufrichtige Personen dort finden.“ („Genesis“, 18,16). Tiefgründig zu meditieren wie Abraham bedeutet, sich für das Leben der Menschen mit Liebe und Mitgefühl einzusetzen, ohne ihre Sünden zu ignorieren, beständig und voller Glauben das göttliche Mitgefühl wachrufend.

Diese Art der Meditation befreit das Herz in kurzer Zeit von Verurteilung und unterschiedlichen Verdammung-en; sie wird immer Gottes Vergebung und Seinen Segen hervorrufen, egal wie viel Aufwand man für die Kontemplation betreibt.
„Meditieren wie Abraham bedeutet mehr als das“ – Vater Seraphim’s Stimme bebte vor Emotion. „Es bedeutet, das letzte Opfer zu erreichen; sogar die Selbstauf-opferung“. Er las dem jungen Mann eine andere Passage aus der „Genesis“ vor, in der Abraham fähig gewesen wäre, seinen eigenen Sohn Isaac zu opfern. „Alles kommt von Gott und alles gehört nur Gott“ murmelte Seraphim. „Alles ist von Ihm und alles ist für Ihn.

Abrahams Meditation wird dich zu einer vollkommenen Loslösung von deinem Ego führen und von allem, was ihm am wertvollsten ist. Suche ganz in der Nähe deiner Seele nach dem Objekt oder dem Aspekt, mit dem du dich am meisten identi-fizierst. Für Abraham war es sein Sohn Isaac. Wenn auch du fähig bist, dieses Gott zu geben, dich selbst total hinzugeben im vollen Glauben an den Einen, der den Verstand und den (scheinbar) gesunden Men-schenverstand transzendiert, dann wird dir alles hundertfach zurück gegeben. Gott kümmert sich immer um Seine Kinder. Meditieren wie Abraham bedeutet auch, deine Zeit, dein Herz und dein Bewusstsein mit der Anwesenheit Gottes zu füllen. Erinnere dich, dass Abraham nur seinen Sohn im Herzen hatte, als er auf die Spitze des Berges kletterte. Als er wieder nach unten ging, war sein Herz allein mit Gott.

Die Lektion dieses Opfers zu lernen bedeutet zu erkennen, dass nichts jemals „dir“ gehört. Alles gehört nur Gott. Das bedeutet den Tod des Ego und die Offenbarung des Unsterb-lichen Selbst. Meditieren wie Abraham bedeutet, vollständig und voller Glauben mit dem Ewigen und Allmächtigen (Gott) zu verschmel-zen, der das Universum (den Makrokosmos) transzendiert, es bedeutet, Gastfreundschaft mit Freude und Liebe zu praktizieren, sich (durch Beten) für jedermanns Erlösung einzusetzen, dich oft selbst zu vergessen und jede Anhäng-lichkeit zu brechen um zu ent-decken, dass der Eine, der in der Tiefe deines Herzens lebt, sowie das gesamte Universum, „der Eine ist, der existiert, weil er wahrlich existiert“ (Gott).

Meditieren wie Jesus
Vater Seraphim kam immer seltener zu seinem jungen Schüler um ihm Rat zu geben. Telepathisch fühlte er seine Fortschritte in der Kunst der Meditation und des Betens. Einige Male sah er seinen Schüler sogar, als er tränenerfüllt wie Abraham meditierte und voller Ausdauer für die Menschen betete: „Herr, ich bitte Dich demütig um Deine Göttliche Gnade; andernfalls, ohne Deine Hilfe, was soll aus ihnen werden?“

Eines Tages kam der junge Mann speziell um mit Vater Seraphim zu sprechen. Er fragte ihn: „Vater, warum hast Du mir bislang noch nicht über Jesus erzählt? Was war Sein Gebet, Seine Form der Medi-tation? Ich weiß, dass sie über Ihn nur in allen Hohen Messen und in den kirchlichen Diensten sprechen. In den Herzensgebeten, wie die „kleine Lehre“ sie beschreibt, wird Sein Name oft angerufen. Warum erzählst Du mir nicht über Ihn?“
Vater Seraphim erschien sehr aufgewühlt, so als ob er ihn um die Offenbarung der intimsten Geheim-nisse seines Herzens gebeten hätte. Je höher die erhaltene göttliche Offenbarung ist, mit umso größerer Demut muss sie weitergegeben werden. Vater Seraphim gab zu, dass er sich nicht demütig genug fühlte, um solch ein Geheimnis weiterzu-geben: „Nur der Heilige Geist kann dir dies beibringen. Niemand außer dem Vater weiß wirklich, wer der Sohn ist, und niemand weiß wirklich, wer der Vater ist, außer dem Sohn und denjenigen, vor denen der Sohn sich zu offenbaren entschließt.“ (Lukas, 10, 22).

„Es ist für Dich notwendig zu wissen, dass du eins werden musst (oder in anderen Worten dich vollständig identifizieren musst) mit dem Sohn, damit du als der Sohn beten kannst und damit du mit dem Einen, den Er Seinen Vater und unseren Vater (Gott) nennt, die gleiche intime Beziehung haben kannst wie Er, und diese Erfüllung kann nicht eintreten außer durch die Gabe des Heiligen Geistes, der dir dann die Bedeutungen von allen Worten Jesus’ enthüllen wird. Das Evangelium wird dann beginnen, in dir vollständig lebendig zu sein und es wird dich lehren, so zu beten, wie man beten soll.“

Aber der junge Mann bestand darauf, mehr zu erfahren. Vater Seraphim lächelte: „In Ordnung, aber du musst wissen, dass Medi-tieren wie Jesus bedeutet, sehr gut alle Formen der zuvor gelernten Meditation zu überdenken. Du musst auch wissen, dass Jesus der kosmische Mensch war, ist und immer sein wird. Er wusste genau, wie man als Berg, als Mohnblume, als der Ozean und als Vogel medi-tiert. Er kannte auch die Meditation des Abraham. Sein Herz hatte keine Grenzen und aus diesem Grund liebte er auch seine Feinde.

Erinnere dich, dass Jesus auf dem Kreuz sagte: „Vergib ihnen, Vater, denn sie wissen nicht was sie tun.“ Seine Gastfreundschaft und sein Wohlwollen waren für Jeden gleich. Er empfing mit Liebe und Mitgefühl auch die Kranken, die Sünder, die Gelähmten, die Prostituierten, diejenigen, die ihn verraten würden. Während der Nacht zog er sich in die Einsamkeit der Natur zurück um zu beten und er murmelte wie ein Kind: „Abba“, das bedeutet „Vater“ … du magst es lächerlich finden, das Transzendente, das Unendliche, das Namenlose, das, was jenseits von allem ist, „Vater“ zu nennen.

Dennoch war dies das hauptsäch-liche Gebet von Jesus und er sagte alles durch dieses eine Wort. Die Erde und der Himmel verschmolzen vollständig in ihm aufgrund Seines gigantischen Glaubens. Gott und Mensch waren ein und dasselbe in diesen Momenten. Es gibt keinen Zweifel, dass du mit großer Hingabe und Streben das Wort „Vater“ in der Stille der Nacht aussprechen musst um zu verstehen, was es wirklich bedeutet…



Heutzutage, nachdem sich in dieser Welt die Beziehung zwischen Eltern und Kindern so sehr geändert hat, hat sie in vielen Fällen keine Bedeu-tung mehr, und nur wenige werden verstehen, was ich hier meine. Vielleicht stimmt dieses Bild jetzt überhaupt nicht mehr mit der Realität dieser Welt überein.
Das ist der Grund, warum ich es vorzog, dir gar nichts zu erzählen, um keine Bilder zu verwenden und um zu warten, dass der Heilige Geist dir das Gefühl und das geheime Wissen vermittelt, das Jesus Christus hatte; dann wird dieses einzigartige Wort „Abba“ nicht nur über deine Lippen kommen, sondern aus den Tiefen deines Herzens. Nur dann wirst du wahrhaftig verstehen, was das geheime Gebet und die hesychastische Meditation sind.“

Und nun geh nach Hause

Der junge Schüler von Vater Seraphim blieb noch einige Monate auf dem Berg Athos. Das einfache Gebet von Jesus trieb ihn oft in unendliche und bodenlose Ab-gründe und brachte ihn an den Rand eines wahrhaft ekstatischen Hoch-gefühls: „Ich bin nicht der, der jetzt lebt, sondern Jesus lebt auf ewig in mir“ konnte er wie der Heilige Paulus sagen. Wenn er von diesen Zuständen überwältigt wurde, empfand er einen kontinuierlichen Taumel der Demut in sich selbst und zur gleichen Zeit das Verlangen, sich für Andere einzusetzen. Dies mani-festierte sich als ein brennendes Verlangen, „dass alle Menschen von dem Zustand befreit werden, in dem sie sich befinden und dass sie fähig werden, die ekstatische Fülle der Kenntnis der Wahrheit zu erlangen“. Er wurde zu einer lebenden Flamme, im Feuer der Liebe brennend. „Er brannte die ganze Zeit ohne sich dabei aufzuzehren“. Er hatte oft erhabene, erleuchtete Visionen. Einige sagten, sie sahen ihn auf dem Wasser gehend oder in stiller Ekstase einige Meter über dem Boden schwebend…

Eines Tages kam Vater Seraphim wieder und begann zu schreien: „Genug! Nimm nun all deine Sachen und verlasse uns!“ Auf diese Weise bat Vater Seraphim seinen jungen Schüler, Athos zu verlassen und nach Hause zurück zu kehren, um zu sehen, was von seinen wunder-vollen Gebeten und hesychastischen Meditationen übrig bleiben würde.

Der junge hesychastische Schüler ging sofort, ohne nach dem Grund zu fragen, warum er darum gebeten wurde. Zurück in seiner Heimat fanden ihn seine Bekannten dünner. Sie sahen nichts Spirituelles oder Göttliches an seinem fast schmutz-igen Bart und in seinem gewöhn-lichen Aussehen. Aber all dies störte ihn überhaupt nicht mehr, da er die Lehren von Vater Seraphim nicht vergessen konnte.

Manchmal, wenn er sich zu aufge-wühlt fühlte, weil er keine Zeit für sich selbst fand, gab er für einige Momente alles auf und ging, um auf dem Balkon eines Cafés wie ein Berg zu meditieren. Wenn er sein Ego spürte, die Eitelkeit sich verstärkte, dann erinnerte er sich plötzlich an die Mohnblume. „Jede Blume vergeht“ sagte er dann zu sich selbst und sein Herz fokussierte sich wieder auf Gottes ewiges Licht. Wenn Trauer, Wut, Ekel seine Seele eroberten, zog er sich in Einsamkeit zurück und begann rhythmisch und tiefgründig zu atmen wie der Ozean.  Indem er dies tat, fühlte er kurz danach, wie er sich selbst in Einklang mit Gottes Seele brachte und voller Demut rief er murmelnd Seinen Namen an: Kyrie Eleison.

Wenn er oftmals über das Leiden, die Bosheit und die Hilflosigkeit seiner Mitmenschen nachdachte, erinnerte er sich sofort an die Meditation Abrahams. Wenn er verleumdet wurde oder wenn er sich verschiedene Unverschämtheiten über sich anhören musste, dann fand er wieder das Glück und die Unschuld eines Kind Gottes, indem er zusammen mit Jesus meditierte. Nach außen hin war er wie jeder Andere. Er sah nicht wie ein Heiliger aus. Sieben Jahre nach seiner Rückkehr vom Berg Athos vergaß er mindestens einmal im Monat die Methode des hesychastischen inneren Hörens. Dennoch vergaß er niemals und wird niemals verges-sen, Gott in jedem Augenblick zu lieben und immer in Seiner (Gottes) Anwesenheit zu schreiten.

Die Praxis der hesychastischen Kontemplation

Als Hauptvoraussetzung für eine hesychastische Gotteserfahrung gilt in der gesamten Tradition die „Reinigung des Herzens“. Damit ist zunächst die Überwindung der Laster und der Verführung durch schlechte Gedanken gemeint, ein zentrales Anliegen aller Mönche. Dies reicht aber nicht aus; erforder-lich ist die Befreiung von sämtlichen Vorstellungsbildern (phantasíai) und allen Akten des diskursiven Denkens (logismoí). Die Einbildungs-kraft soll ausgeschlossen werden, das Denken soll verstummen, jedes Wissen (gnṓsis) zurückgelassen werden. Verlangt wird ein absolutes Schweigen.

Allem gegenüber. Dann erst werde die Wahrnehmung des Ungeschaf-fenen möglich. Die Entleerung des Geistes von unerwünschten Inhalten erfordere eine stets wache Aufmerk-samkeit und Nüchternheit, die nepsis, deren Unerlässlichkeit in der hesychastischen Literatur aller Epochen betont wird.

Unter den Seelenkräften, den Fähigkeiten der Seele, gilt nicht der Wille, sondern der höchste Teil des Erkenntnisvermögens als der entscheidende Faktor, der das Erleben der besonderen göttlichen Gnade in der Schau ermöglicht. Palamas konstatierte, dass es einem leiden-schaftlichen Geist unmöglich sei, sich mit Gott zu vereinigen. Daher müsse man den Geist bündeln und nach dem Göttlichen ausstrecken und dabei mit fester Kraft das vielfache Umher-schweifen des Denkens zügeln.
Karnegg 1, A-8244 Schäffern, Tel.: +0043 3339 7346, E-Mail: arcturus@gmx.at




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